Projektbeschreibung
Ertrinken ist nach Angaben der Weltgesundheitsbehörde WHO die dritthäufigste Unfall-Todesursache und macht global sieben Prozent aller verletzungsbedingten Todesfälle aus. Flüsse und Seen sind nach wie vor die größten Gefahrenquellen. In den letzten Jahren ertranken rund 80 Prozent aller Opfer in Deutschland laut der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) in Binnengewässern.[1]
Mit autonomen Drohnen schnell vor Ort
Die Alarmierung und Ortsbestimmung bei Notfällen im Wasser stellen besondere Herausforderungen an die Rettungskette, da schwer zugängliche und großflächige Einsatzräume einen hohen personellen und zeitlichen Aufwand für die Erfassung von Lageinformationen erfordern. Drohnen zur Wasserrettung können hierbei eine ganze Reihe von Vorteilen ausspielen. Das Forschungsprojekt RescueFly hat damit einen wichtigen technischen und gesellschaftspolitischen Beitrag bei der Entwicklung einer modernen und schnellen Notfallrettung in Deutschland geleistet. Mit dem Einsatz automatisierter Drohnen können die Möglichkeiten in der Wasserrettung erweitert und für eine in Not geratene Person die Zeit bis zur ersten Hilfestellung verkürzt werden.
Rettungsdrohnen: Autonome Lebensretter aus der dritten Dimension
Mithilfe von Rettungsdrohnen können Menschen in Not durch z. B. einer niedrigen Flughöhe und deutlicheren Sichtlinien, die nicht durch starken Wellengang verdeckt werden könnten, meist besser geortet werden als durch Hubschrauber, Boote oder Rettungsschwimmer. Darüber hinaus können Drohnen unbewachte Gewässer bereits vor dem Eintreffen von Rettungskräften automatisiert und zügig nach Unfallopfern absuchen und die Daten in Echtzeit an die Einsatzstellen weiterleiten. Sie können dadurch Rettungskräfte schneller zum Verunglückten navigieren. Auch kann dessen Überlebenschance durch den ortspräzisen Abwurf von Hilfsmitteln wie selbstauslösende Bojen, bis zum Eintreffen der Rettungskräfte entscheidend verlängert werden.
Weitere Vorteile: Drohnen sind in der Beschaffung weitaus günstiger als Hubschrauber und gewährleisten eine schnellere Reaktionszeit bei gleichzeitig geringeren Einsatzkosten und reduziertem Personalbedarf. Dank ihrer niedrigen Flughöhe können sie auch bei schlechten Sichtverhältnissen eingesetzt werden. Die Wasserrettung mittels Drohnenunterstützung wird somit ein wertvoller und zugleich auch ergänzender Bestandteil der Rettungskette.
Hier hat das Projekt RescueFly angesetzt. Das übergreifende Ziel des vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) geförderten Vorhabens im Zeitraum von Januar 2022 bis März 2024 war es, einen Beitrag zur Verkürzung der Rettungsfrist bei der Wasserrettung zu leisten.
Dazu wurde im RescueFly Vorhaben spezielle, mit Kameras ausgerüstete Rettungsdrohnen (UAS – Unmanned Aircraft Systems) zur Unterstützung bei der Wasserrettung entwickelt und eingesetzt. Sie wurden in der Versuchsregion dezentral in modernen und technisch fortschrittlichen Drohnenhangars stationiert. Dort sind sie mit einer Rettungszentrale online verbunden und mit adäquater Sensorik ausgestattet. Exemplarisches Einsatzgebiet war die Lausitzer Seenlandschaft, hier speziell die im Land Brandenburg und Freistaat Sachsen liegenden Seen Geierswalder See und Partwitzer See.
Innovationen mit Perspektiven für die Lausitz
Ferngelenkte Drohnen sind schon seit geraumer Zeit in vielen Bereichen im Einsatz, wenn eine Luftunterstützung für die Suche und Erkundung essenziell ist. Unbemannte Drohnen kommen ebenfalls bei der Versorgung mit Hilfsgütern in schwer erreichbaren Gebieten zum Einsatz. Die Besonderheit dieses Projektes lag deshalb nicht ausschließlich bei der vom Projekt-Kooperationspartner Mintmasters GmbH neu entwickelten Rettungsdrohne, sondern in dem neuartigen Zusammenwirken unterschiedlicher Technologien und autonomer Systeme.
Dafür verfolgte das Projekt einen innovativen Ansatz: der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) ermöglichte die Vernetzung der unbemannten Drohnen mit den Rettungsleitstellen. Dies geht einher mit der notwendigen digitalen Transformation des Rettungswesens, um den veränderten Rahmenbedingungen zu begegnen und die bisherigen Prozesse entsprechend zu optimieren. Dabei lagen die Forschungsschwerpunkte einerseits im Bereich der Bildanalyseverfahren und der vollautomatischen Datenauswertung von optischen und ultraschallbasierten Bildinformationen. Andererseits wurde überlegt wie die Drohne sinnvoll in die operative Alarmierung- und Rettungskette integriert werden kann.
Ein weiterer Schwerpunkt des Vorhabens war der Bereich der Simulationsverfahren zur Darstellung der gesamten Rettungskette in den Badegewässern der Projektregion. Insgesamt galt es, die Menge der anfallenden Informationen zur Erstellung eines Gesamtlagebildes zu verarbeiten und zu strukturieren sowie über entsprechende Schnittstellen die Einbindung aller Systeme und Verfahren zu ermöglichen. Dies hat nicht nur die Leistung und Zuverlässigkeit des Gesamtsystem erhöht, sondern auch neue Funktionalitäten und Anwendung für das Rettungswesen erschloßen.
Nahtlose Zusammenarbeit bei RescueFly: Sieben Partner, ein Ziel
Im Projektverlauf wurde hierfür zunächst der Einsatz von fortschrittlichen und vernetzten Drohnenhangars sowie zusätzliche Alarmierungs- und KI-Elemente für die Bilderkennung und Flugmissionsoptimierung in einer virtuellen Umgebung simuliert, um die Lage der Drohnenhangars und Flugtrajektorien der Drohnen zu den Einsatzpunkten zu analysieren und zu optimieren. Dafür vereinte das Projektkonsortium die Expertise aus den Bereichen Simulation und Bildanalyse von der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg und der TU Dresden, die für die Planung von Flugtrajektorien und das Concept of Operation zuständig war. Darüber hinaus steuerte die TU Chemnitz ihre Expertise zur Entwicklung intelligenter Drohnenhangars mit den Unternehmen aus den Anwendungsbereichen Dohnenentwicklung und -Steuerung bei.
Hier lieferte Mintmasters eine neuentwickelte Videodrohne, die auch Hilfsmittel zur Rettung Ertrinkender transportieren kann. Die Droniq, eine Tochtergesellschaft der Deutschen Flugsicherung und der Deutschen Telekom, gewährleistete bei den autonomen Rettungsflügen die sichere und automatisierte Integration der Drohne in den Luftraum. Dazu nutzte sie das von ihr vertriebene und von der Deutschen Flugsicherung (DFS) entwickelte Verkehrsmanagementsystem für Drohnen (UTM), das sie auch den Rettungsleitstellen zur Verfügung stellte.
Die Björn Steiger Stiftung, die die Konsortialführung inne hatte, hat in das Projekt unter anderem ihre Erfahrung im Bereich Notruftechnik eingebracht. Mit der Installation moderner Notruftelefone an Uferabschnitten wurde die Notfallprävention gestärkt. Durch Modifikation der bereits installierten Notruftelefone wird die Infrastruktur zur Steuerung der Drohnen und Nutzdatenübertragung direkt mit der Rettungskette verbunden.
Parallel wurden darüber hinaus in einem weiteren Anwendungsfall durch das Brandenburgische Institut für Gesellschaft und Sicherheit (BIGS) die Herausforderungen, die durch den bundesland- und landkreisübergreifenden Einsatz der Drohne entstanden, auf rechtlicher, organisatorischer, flugbetrieblicher sowie ökonomischer Ebene analysiert. Im Rahmen eines Abschlusstests hat das Institut das drohnenbasierte Rettungssystem zusätzlich evaluiert. BIGS erarbeitete zusammen mit den anderen Partnern dann die Handlungsempfehlungen für einen zukünftigen Regelbetrieb von RescueFly – auch in anderen Regionen – aus.
Nicht zuletzt haben die Kooperationspartner auch durch die Verwendung von offenen Technologie-Standards sowie die Einbindung von nationalem und regionalem Know-how in das Forschungsprojekt, die Modellregion „Gesundheit in der Lausitz“ als Vorreiter positioniert und die internationale Wettbewerbsfähigkeit des entwickelten Drohnen-Rettungssystem gestärkt. Die Ergebnisse des Forschungsprojekts hat das Konsortium online zugänglich gemacht.
[1] https://www.dlrg.de/informieren/die-dlrg/presse/statistik-ertrinken/